Goldrausch Logo

Mutual Matters – Goldrausch 2021

Fahrbereitschaft, Große Halle
Herzbergstraße 40–43
10365 Berlin-Lichtenberg

Dokumentation

Eingang Foto: Sebastian Eggler
Foto: Sebastian Eggler
Foto: Sebastian Eggler
Foto: Sebastian Eggler
Irma Blumstock, Auf harter Unterlage (Auster), 2021 Foto: Sebastian Eggler
Barbara Lüdde, Someone, Somewhere, Soon, 2021 Foto: Sebastian Eggler
Irene Fernández Arcas, Altar a la Risa, 2021 Foto: Sebastian Eggler
Rachel Monosov, Liminal, 2021 Foto: Sebastian Eggler

Katharina Bévand

Fünf Fragen an …

Katharina Bévand (geb. 1988 in München) ist eine in Berlin lebende Klangkünstlerin, die meist ortsspezifisch arbeitet. 2017 erhielt sie eine Auszeichnung des „bonn hoeren – sonotopia“-Wettbewerbs der Beethovenstiftung Bonn und erlangte den Mastertitel in Sound Studies an der Universität der Künste Berlin. Sie war Vorstandsmitglied der Berliner Gesellschaft für Neue Musik e.V. International stellte sie in Deutschland, Ägypten, Taiwan und in der Autonomen Region Kurdistan (Irak) aus. Kürzlich erhielt sie ein Forschungsstipendium des Berliner Senats zur Entwicklung von Live-Performances mit modularen Synthesizern.

Deine Soundarbeiten sind stets an bestimmte Räume geknüpft – was sind das für welche?

Mich sprechen insbesondere industrielle Orte an, Fabrikgelände oder auch zerfallene, ruinenhafte Orte, die sich in einem Zwischenstatus befinden und architektonisch interessant sind. Damit meine ich eine Architektur, die sehr skulptural ist oder Elemente hat, mit denen ich akustisch arbeiten kann.

Was für Elemente sind das?

In alten Fabriken gibt es oft Metallelemente oder Kessel, die ich wie ein Instrument benutze. Es ist ein symbiotischer Prozess, der Raum inspiriert mich und beeinflusst das Werk. Im Bärenzwinger hatte ich beispielsweise eine Installation, die „Grid“, also Gitter hieß. Gitter wurden dabei zum zentralen Element, auch visuell. Mit Lichtern habe ich durch die Gitterstäbe einen Schattenwurf kreiert. Akustisch wurde ein Gitter zu der Stelle, durch die ich Klang in den Raum gesendet habe. Der Raum wird so zu einem Resonanzkörper, Klang und Licht überwinden architektonische Barrieren.

Wie erzeugst du Klänge?

Anfangs habe ich nur mit Field Recordings gearbeitet, auch mit erweiterten Techniken wie Kontaktmikrofonen oder elektromagnetischen Wellenempfängern. Solche Klangaufnahmen bearbeite ich dann mit Filtern, sodass sie abstrakter werden und man den Ursprungsklang nicht mehr heraushört. Seit Anfang des Jahres erforsche ich auch Modularsynthesizer, die mir einen direkteren körperlichen Kontakt mit dem Instrument ermöglichen.

Funktionieren deine Arbeiten auch ohne Räume oder sind sie an diese gebunden?

Die raumbezogenen Arbeiten existieren nur mit dem Ort. Das ist ja auch das Schöne: dass es ephemer ist und dass man als Körper vor Ort sein muss. Ich positioniere die verschiedenen Klangquellen so, dass sich der Klang verändert, wenn man durch den Raum geht, man sich also durchbewegen muss.

Warum machst du bei Goldrausch mit?

Goldrausch ist eine gute Möglichkeit, sich zu professionalisieren. Im Programm bekomme ich dafür nützliche Werkzeuge und die Möglichkeit zum Austausch mit den anderen Künstlerinnen.

Interview: Beate Scheder Foto: Anna Bresoli

Mouna Abo Assali

Fünf Fragen an …

Mouna Abo Assali (geb. 1988 in Damaskus) ist eine in Berlin lebende Filmemacherin und Videokünstlerin. Sie studierte Visuelle Kommunikation an der Arab International University in Ghabagheb (Syrien) und Kunst und Medien an der Universität der Künste Berlin. In ihrer Arbeit experimentiert Mouna Abo Assali mit verschiedenen Filmgenres und stellt die Grenze zwischen Fiktion und Dokumentation in Frage. Ihre Arbeiten wurden in Damaskus, Istanbul und Berlin gezeigt, dort zuletzt in der Gruppenausstellung Strange Things im Silent Green Kulturquartier.

Wie kamst du zum Film?

Ich habe in Syrien visuelle Kommunikation studiert und war schon damals sehr vom Kino fasziniert. In meinem Studium habe ich meine Leidenschaft für das Medium Video entdeckt. Eigentlich habe ich immer davon geträumt, in Schweden Film zu studieren – mein Lieblingsregisseur ist Ingmar Bergmann –, aber das Leben hatte einen anderen Plan für mich. Mir gefällt, dass Film nicht sehr elitär ist und viele verschiedene Menschen erreicht.

Was für Geschichten möchtest du erzählen?

Meine syrische Herkunft und die Jahre des Konflikts haben natürlich einen großen Einfluss auf die Dinge, über die ich sprechen möchte oder muss. Dazu gehören Fragen wie: Was ist Gerechtigkeit? Was sind Lebenskonflikte? Queer zu sein spielt dabei ebenfalls eine große Rolle. Das Gefühl, vertrieben worden zu sein, eine Person of Color zu sein. Viele Themen entstehen durch Erfahrungen, die ich gemacht habe.

Wovon hat dein letzter Film gehandelt?

Es ging um Vertreibung, um Heimat, Identität. Es ging um eine Person, die einen Tag lang dabei begleitet wird, wie sie umherstreift und sich selbst in ihrem Inneren fremd fühlt. Dieser Film – ich weiß noch nicht einmal, ob man ihn Film nennen kann – war der Versuch, diese Konzepte, mit denen wir leben, ohne sie reflektieren zu können, zu erforschen.

An was für ein Publikum richtet sich deine Kunst?

Meine Hoffnung ist, dass es keinen Unterschied macht, ob eine Person ähnliche Erfahrungen gemacht hat oder nicht, solange sie von etwas berührt wird. Als Araberin, als Syrerin, als Frau bin ich während meines Studiums in Deutschland auf mehrfache Weise stigmatisiert worden. Das hat mich sehr beeinflusst, und auch meine Arbeit. Das ist ja ein Grund, warum Kunst gemacht wird: um Erfahrungen zu teilen und zu versuchen, andere in die eigene Position zu versetzen.

Warum machst du bei Goldrausch mit?

Um ehrlich zu sein: um bekannter zu werden. In der Ausschreibung stand all das drin, was ich persönlich gar nicht gerne mache, für diesen Beruf aber lernen muss.

Interview: Beate Scheder Interview: Beate Scheder

Irma Blumstock

Fünf Fragen an …

Irma Blumstock (geb. 1991 in Leipzig) studierte an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig bei Clemens von Wedemeyer, an der Accademia di Brera in Mailand und an der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig bei Candice Breitz und Agnieszka Polska. 2017 gründete sie zusammen mit Benedict Reinhold das Produktionsstudio Gesellschaft poetischer Film. 2019 war sie über die Kulturstiftung des Freistaates Sachsen auf Residenz in Columbus, Ohio. Ihre Arbeiten waren in Ausstellungen unter anderem in der Galerie für Zeitgenössische Kunst Leipzig, der ASPN Galerie in Leipzig sowie auf verschiedenen Filmfestivals und Screenings zu sehen.

Du arbeitest gerade zum ersten Mal an einer Animation. Wie kam es dazu?

Nachdem es durch Corona sehr viel komplizierter war Drehs zu organisieren, habe ich etwas gesucht, bei dem ich alleine vor dem Rechner mit Bewegtbild arbeiten kann. Ich habe angefangen digital zu zeichnen und bin dann komplett in der Welt der Animation verschwunden. Ausgangspunkt waren Gläser mit Eiswürfeln, das Klirren beim Schwenken der Eiswürfel hat für mich einen magischen Klang, in dem die Sehnsucht nach einer vergangenen Welt mitschwingt.

Wie findest du Ideen für deine Filme und Videos?

Häufig beiläufig, zwischendrin, durch eigene Erfahrungen. Eine meiner Arbeiten basiert auf einem Telefonat, das ich mitgehört habe. Eine andere Arbeit ist während einer Residency entstanden, wo ich durch endlose Waldspaziergänge zum Thema gefunden habe. Viel kommt auch aus Zitaten aus Filmen, aus Büchern. Alles, was ich sehe und lese und höre, sauge ich auf, daraus formen sich dann meine Arbeiten.

Gibt es Themen oder Motive, die sich durchziehen?

Das Kino und filmische Referenzen, wie uns das Bewegtbild im alltäglichen Leben beeinflusst, wenn man sich beispielsweise im Leben an Filmsituationen erinnert fühlt. Ich empfinde das immer sehr stark, wenn ich in den USA bin, die ja die Filmlandschaft und mein popkulturelles Verständnis extrem geprägt haben.

Wie würdest du deinen Prozess beschreiben?

Meistens hängen mir Szenen und Bilder, die mich beeindruckt haben, ziemlich lange nach. Ich spiele verschiedene Szenarien und Versionen im Kopf durch. Dann sammle ich, wenn die Idee langsam konkreter wird, weiteres Bildmaterial dazu – daraus formt sich, was ich selbst damit machen möchte. Anschließend schreibe ich das Skript und dann wird gedreht.

Warum machst du bei Goldrausch mit?

Ich bin nach Berlin gezogen und hatte das Gefühl, in Berlin hauptsächlich Künstlerkolleg:innen aus Leipzig zu kennen. Ich hatte Lust, mich noch mal neu in der Kunstwelt in Berlin anzudocken und ich war auf der Suche nach etwas Struktur im endlosen Homeoffice.

Foto: Jin Kwon Interview: Beate Scheder

Katharina Bévand

Reverberations

Textbeitrag: Naomi Waltham-Smith
Gestaltung: Bryndís Th. Sigurjónsdóttir
16 Seiten, 14 Abbildungen

Veruschka Bohn

Fünf Fragen an …

Veruschka Bohn aka V3 hat an der Hochschule für Gestaltung Offenbach am Main studiert, wo sie 2015 mit der Video-Performance How to Graduate from Art School ihr Diplom absolvierte. Seit 2018 entwickelt sie in Zusammenarbeit mit dem Berliner Medienkunst-Kollektiv Humatic kinetische Installationen, Videokunst und Performances. Ihre Werke wurden in Institutionen wie dem National Taiwan Museum of Fine Arts in Taichung, im Kaohsiung Museum of Fine Arts und im Nassauischen Kunstverein Wiesbaden präsentiert und mit internationalen Preisen ausgezeichnet.

Du nennst dich als Künstlerin V3. Wofür steht das Kürzel?

Die Bedeutung verändert sich. Ursprünglich war das eine interfamiliäre Signatur: Ich bin die Drittgeborene, deren Vornamen mit V beginnt. 2018 habe ich dann mit dem Medienkollektiv Humatic angefangen, Performance-Triptychen zu bauen. Da kam das Werk VIII zustande. Ich mag es, die Dinge auf das Nötigste zu reduzieren: V3 – das sind meine Initialen minus einen Strich, das fühlt sich richtig an.

Wie bist du zur Performance gekommen?

Ich habe Film an der HFG Offenbach studiert und irgendwann eine Bildschirmüberdosis bekommen. Schon bei meinen ersten Performances während des Studiums habe ich gemerkt, dass durch den Einsatz des Körpers als Gegenspieler zu den technischen Medien ein Risiko entsteht, das mich total herausgefordert hat, das ich aber auch nicht mehr missen möchte.

Was macht deine Arbeit als Performerin aus?

Das Risiko, unbewaffnet vor den Menschen zu sein und für das zu stehen, was man macht. Für mich ist der Körper ein zentrales Thema, weil er Realität gestaltet. Er bestimmt, wie wir die Welt wahrnehmen und wie wir wahrgenommen werden. Ich habe das Gefühl, dass man der Angst, der Verwirrung und dem Trauma dieser chaotischen Welt am machtvollsten entgegentreten kann, wenn man auf seinen eigenen Körper hören und andere Körper lesen kann. Meine Arbeit ist ein Versprechen, die Augen aufzumachen und die Sensibilität zu schärfen.

Du malst auch und du fotografierst – wie fügt sich das alles zusammen?

Meine Ideen haben wenig Respekt vor Genres, Schubladen oder Sparten. Das bringt mir eine Freiheit, die aber nicht nur einfach ist.

Warum machst du bei Goldrausch mit?

Künstlerin zu sein bedeutet, sich auf das Abenteuer einzulassen, gleichzeitig die Rolle des Geschäftsführers, des Forschers, des Handwerkers, Texters, Webdesigners, Buchhalters und der Marketingagentur zu spielen. Durch die Vernetzung mit anderen Künstlerinnen potenzieren sich sowohl das Wissen als auch die Leichtigkeit, die es braucht, um mit diesen Aufgaben zu jonglieren.

Interview: Beate Scheder Foto: Christian Graupner

Irma Blumstock

Bad Portraits and Pictures of Birds

Textbeitrag: Irma Blumstock
Gestaltung: Dorothee Waldenmaier
16 Seiten, 8 Abbildungen

Ahu Dural

Fünf Fragen an …

Die deutsch-türkische Künstlerin Ahu Dural (geb. 1984 in Berlin) ist bekannt für ihre großformatigen Installationen. Ihre künstlerische Praxis untersucht aktuell Zusammenhänge zwischen der Architektur der Moderne und biografischer Geschichte. Nach Abschluss ihres Studiums in der Klasse für Illustration an der Universität der Künste in Berlin erweiterte Dural ihre künstlerische Forschung in Wien. Sie diplomierte 2016 an der Akademie der bildenden Künste Wien bei Prof. Monica Bonvicini. Dural lebt und arbeitet in Berlin.

In deiner Kunst spielt Architektur eine große Rolle. Warum?

Meiner Ansicht nach beeinflusst die Beschaffenheit des Ortes, an dem man aufgewachsen ist – die Architektur, aber auch die natürliche Landschaft – die Persönlichkeit eines Individuums. Architektonische Formen, Innenraumansichten und Zeichnungen von Gebäuden nutze ich außerdem, um mit Perspektiven zu spielen und das Auge zu schulen.

In deinem aktuellen Projekt geht es um Berlin-Siemensstadt, warum gerade dieser Ort?

Siemensstadt wurde, wie der Name schon sagt, von Wilhelm von Siemens auf forst- und landwirtschaftlichem Gebiet als Arbeits- und Wohngebiet geschaffen. Wenn man wollte, könnte man es in vier Lebensbereiche aufteilen. Es gibt Orte, die für die Arbeit der Menschen gedacht waren oder noch sind, Orte für das Wohnen, Orte für die Erziehung der jüngeren Generation und Orte, die für die Erholung der Anwohner:innen konzipiert wurden. An Siemensstadt finde ich sehr spannend, dass diese vier Aspekte des Lebens dort vereint werden. Und es gibt einen persönlichen Grund: Ich bin dort aufgewachsen.

Wie äußert sich diese persönliche Involviertheit in deiner Kunst?

Beispielsweise in meinen Skulpturen, die zwischen Kunst und funktionalem Objekt changieren. In der Einzelausstellung „neues bauen 13629“ im Projektraum Scharaun in Siemensstadt waren das Objekte wie Bank, Tisch, Hocker und Raumteiler. In jedem dieser Stücke steckt ein Aspekt meiner Vergangenheit. Ich habe mich von meiner Kindheitsarchitektur inspirieren lassen, von der Arbeitsstätte meiner Mutter – aber auch von den Designs von Charlotte Perriand und Eileen Gray.

Was möchtest du mit deiner Kunst bewirken?

Ich möchte, dass Menschen sensibler betrachten: Warum wird etwas auf eine bestimmte Art konstruiert und was macht es mit einem? Ich möchte den Blick schärfen und zeigen, dass man vielperspektivisch auf Dinge schauen kann.

Warum machst du bei Goldrausch mit?

Goldrausch gibt mir mehr Struktur, Mut und ist für mich ein Resonanzraum, in dem man voneinander lernen kann.

Interview: Beate Scheder Foto: Mike Auerbach

V3 aka Veruschka Bohn

V3 aka Veruschka Bohn

Textbeitrag: Hermann Bräuer
Gestaltung: Astrid Farmer, Alexander Behn
16 Seiten, 12 Abbildungen

Dora Đurkesac

Fünf Fragen an …

Dora Đurkesac (geb. 1988 in Zagreb) studierte Neue Medien an der Akademie der Bildenden Künste, Universität Zagreb und Industriedesign an der dortigen Fakultät für Architektur. Sie arbeitet oft im Kollektiv mit Künstler:innen, Tänzer:innen und Forscher:innen und war Artdirektorin der digitalen Publikation Everything is New (mit Nikolay Alutin, de Appel Amsterdam). Ihre Arbeiten wurden in zahlreichen Ausstellungen und Tanzperformances gezeigt, unter anderem bei Neu Now, Amsterdam, im Kunstverein am Rosa-Luxemburg-Platz, Berlin, bei Spike Berlin, im Museum für Zeitgenössische Kunst, Zagreb, im La MaMa Theatre, New York und bei Tjarnarbíó, Reykjavik. Sie lebt und arbeitet in Berlin.

Wo findest du Inspiration für deine Kunst?

Erstens beim kollektiven Denken. Ich arbeite oft in kleinen, temporären Gemeinschaften, in denen wir gemeinsam Themen ergründen. Zweitens durch die Beschäftigung mit dem Körper. Durch den zeitgenössischen Tanz habe ich viel über Körper, Bewegungen und meditative Zustände gelernt. Ich betrachte den Körper als ein Archiv für kulturelle und soziale Kontaminierung. Er bietet aber auch viel Potenzial sich zu verändern und zu offenbaren, indem man sich mit seinen Träumen, dem Unbewussten und der Natur verbindet.

Den Tanz hast du bereits erwähnt. Du hast außerdem Design studiert. Wie fügt sich das alles bei dir zusammen und was entsteht daraus?

Das Ergebnis ist oft eine Installation im Raum, kann aber auch eine Webplattform sein. So oder so kombiniere ich Designmethoden und choreographische Methoden. Mit Grafikdesign und Zeichnungen zeige und analysiere ich komplexe Systeme. Die Nähe zum Design zeigt sich etwa auch in der Typographie und im Bühnenbild. Was den Tanz betrifft, lade ich oft Tänzer:innen ein, von denen ich lernen kann oder mit denen ich gemeinsam forsche.

Wie könnte die gemeinsame Arbeit aussehen?

Gerade arbeite ich mit einem Tänzer zur Idee von Synchronizität. Wir probieren aus, wie wir uns durch Bewegung und gegenseitiges Verständnis synchronisieren können – und ob das auch auf Distanz funktioniert, indem wir uns mit der Natur verbinden. Ich glaube, Menschen könnten sich viel besser verstehen, wenn sie sich enger mit der Natur verbinden und die Sinne schärfen.

Klassische Ausstellungen sind bei dir eher die Ausnahme, warum?

Inspiriert von Nicolas Bourriaud frage ich mich oft, wo die Kunstpraxis außerhalb von Ausstellungen angesiedelt sein könnte. Das Nachdenken über andere Kanäle kann neue Welten zwischen den Künsten und verschiedenen Berufen eröffnen.

Warum machst du bei Goldrausch mit?

Ich lebe seit vier Jahren in Berlin, mir sind in der Stadt aber noch keine Wurzeln gewachsen. Über Goldrausch möchte ich mir ein neues Netzwerk erschaffen.

Interview: Beate Scheder Foto: Atsushi Kakefuda

Ahu Dural

Homeland Rose – Yurda Gül

Textbeitrag: Anna Garbus
Gestaltung: Krispin Hée, Tim Wetter
16 Seiten, 16 Abbildungen

Irene Fernández Arcas

Fünf Fragen an …

Irene Fernández Arcas (geb. 1987 in Granada, Spanien) ist eine interdisziplinäre Künstlerin. Sie schafft Installationen, die Zeichnungen, Malerei, Fotografie, Texte und performative Rituale miteinander verbinden. In ihrer Arbeit erforscht sie neue Konzepte von Spiritualität und die heilenden Kräfte der Kunst. Sie studierte Journalismus in Málaga und Bildende Kunst an der Weißensee Kunsthochschule Berlin. Ihre Arbeiten wurden in Spanien, Portugal und Deutschland ausgestellt. In Berlin wurden ihre Arbeiten zuletzt im KühlhausBerlin, im Kunstraum Blake & Vargas, bei District Berlin, im Institute for Endotic Research und in der Galerie im Turm gezeigt.

Wie entstehen die Ideen für deine Kunst?

Vor allem aus meinem Leben heraus. Für mich ist das Wichtigste der Prozess und der besteht aus dem, was ich gerade erlebe. Sowohl Kunst zu machen als auch Kunst zu konsumieren betrachte ich als einen heilenden Prozess. Mir geht es darum, Energien zu transformieren.

Von was wird man da geheilt?

Jede:r trägt mit sich selbst Sachen herum, die eigentlich zu schwer sind. Als Künstlerin ist es eine besondere Herausforderung zu überleben und eine Life-Work-Balance zu schaffen. Self-Care ist für mich sehr wichtig, auch im kollektiven Sinne. Das versuche ich mit der Kunst zu verbinden. Die Geschwindigkeit, in der wir leben, ist extrem hoch. Ich will mit meinen Arbeiten erreichen, dass man vielleicht kurz innehält, Freude erlebt. Das ist für mich dieser heilende Moment.

Wie gehst du vor, wenn du an einem Projekt arbeitest?

Ich sammle seit meiner Kindheit magische Objekte; irgendwann habe ich begonnen, Altare zu bauen und entschieden, dass ich Kunst und Leben nicht voneinander trennen möchte. Für mich entsteht im Atelier ein Dialog zwischen dem Material und mir. Ich male intuitiv, schnell, rituell, aus der Bewegung und der Emotion heraus. Dann finde ich eine Form, wie ich das alles nach Außen bringen möchte. Ich kreiere Rauminstallationen. Dort mache ich dann meine Rituale und lade andere Leute ein, auch etwas zu tun, interaktive Performances etwa.

Was ist für dich ein Ritual?

Ein „Domestic Ritual“ ist, sich morgens einen Kaffee zu machen und dabei präsent zu sein, zu fühlen. Es sind kleine Bewegungen, die uns guttun. Es gibt sehr viele Formen von Ritualen und wenn man diese kollektiv macht, dann erreicht das eine größere Kraft.

Warum machst du bei Goldrausch mit?

Goldrausch als „Institution“, die sich so viele Jahre mit dem Künstlerinnendasein beschäftigt, finde ich sehr inspirierend. Ich will das, was ich dort lerne, in meine Praxis integrieren, damit ich die Balance zwischen meinem Leben und meiner Kunst noch nachhaltiger gestalten kann.

Interview: Beate Scheder Foto: Lukas Städler

Lexia Hachtmann

Fünf Fragen an …

Lexia Hachtmann (geb.1993 in Berlin) absolvierte 2013 ihr Art and Design Foundation Diploma am City College Brighton and Hove in England und studierte im Anschluss Bildende Kunst an der Universität der Künste Berlin in der Malerei-Klasse von Prof. Mark Lammert. Ihre Arbeiten waren in zahlreichen Gruppenausstellungen zusehen, zuletzt bei HVW8 Berlin, im Delphi Space in Freiburg und in der Ausstellungsreihe Hot Mess in Berlin. Lexia Hachtmann lebt und arbeitet in Berlin.

Dein Weg in die Malerei war kein geradliniger, wie kam das?

Ich bin sehr jung an die UdK gekommen und fand in dem Alter viele Dinge spannend, die nichts mit Kunst und Studieren zu tun hatten. Ich musste mich erst mal an vielen persönlichen Widerständen abarbeiten. Einer davon war zum Beispiel, dass ich mir sagte: Du machst alles außer Malen.

Wie findest du deine Sujets?

Es beginnt meist in der Zeichnung. Die Figuren auf meinen meist bunten Bildern wirken oft isoliert voneinander. Das großformatige wie auch das kleine Bild in ihren Wechselwirkungen interessieren mich. Das Malerische erschließt sich wesentlich durch die Einstellung, also durch die Wahl des Ausschnittes und somit auch die Entscheidung: Was zeige ich und was zeige ich nicht, wie nah gehe ich ran oder auch, was bleibt unerkennbar. Hitchcock sagt, man müsse sich sehr gut überlegen, wann man die Totale preisgibt, aber das nur am Rande. Oft male ich Orte, Zustände und Gesten des Übergangs oder des Dazwischenseins.

Was könnte das sein?

Der Moment, bevor oder kurz nachdem etwas passiert ist oder auch Motive, die mehrdeutig sind, Messer etwa. Ein Messer kann etwas Alltägliches sein, aber auch etwas Gewaltvolles. Ich arbeite mit dem Prinzip von Montage, schaffe mir ein Repertoire an Bildern, die ich – nachdem die Malerei fertig ist – dazu benutze, sie wieder in Konstellationen zusammenzuführen. Dieser Prozess bedeutet Verschieben, Isolieren, Zitieren – Spielen eben.

Deine Bilder hängen in Ausstellungen selten einfach an der Wand. Ist deine besondere Art der Installation eine Auseinandersetzung mit dem Medium?

Das Malerische passiert für mich schon beim Malen. Das Installieren ist wie eine zweite Ebene. Es gibt ja diese allgemeine Behauptung, dass es Kunst ist, wenn man etwas an die Wand hängt. Das gilt es zu Hinterfragen. Manchmal ist das Bild aber auch an der Wand gut.

Warum machst du bei Goldrausch mit?

Ich hatte schon lange ein großes Bedürfnis nach einem Netzwerk an Frauen, mit denen ich mich inhaltlich austauschen kann. Außerdem lerne ich hier sehr viele Dinge, die mir helfen werden, mich außerhalb der Universität zurechtzufinden.

Interview: Beate Scheder Foto: Johanna-Maria Fritz

Dora Đurkesac

Anatomy of 89 Close Encounters

Textbeitrag: Vinicius Jatobá
Gestaltung: Maja Kolar
16 Seiten, 69 Abbildungen

Heyon Han

Fünf Fragen an …

Heyon Han (geb. 1985 in Südkorea) ist eine in Berlin lebende Künstlerin. Ausgangspunkt ihrer Praxis ist das Sammeln überschüssiger Materialien in der technokapitalistischen Landschaft. Ihre Recherchen und ihre Atelierpraxis fügen sich zu Installationen zusammen, die als Modelle unserer Glaubenssysteme funktionieren und in denen zeitgenössische Wünsche und Unterdrückung physisch werden. Sie studierte Bildende Kunst an der Akademie der Bildenden Künste Nürnberg und an der Hongik Universität in Seoul. Ihre Arbeiten wurden zuletzt in der Gruppenausstellung Hot Mess bei Nâpoleon Komplex, Berlin (2021) und auf dem Pixelache Helsinki 2019 Festival Breaking The Fifth Wall gezeigt.

Du baust deine Installationen aus „überschüssigen Materialien in der technokapitalistischen Landschaft”. Was meinst du damit?

Alles, was überflüssig zu sein scheint und auf exzessive Weise konsumiert wird. Ein Beispiel: Für „Future doesn’t owe you anything“ habe ich 2017 einen postapokalyptischen Convenience Store gebaut. Das Material habe ich auf dem Gelände eines Rock-Festivals in der Nähe meiner Kunstakademie gefunden. Ich bin dort zufällig vorbeigekommen und habe all die Zelte und Stühle gesehen, die von den Gästen zurückgelassen wurden. Sie haben sie nicht nur weggeworfen, sondern vorher noch kaputt gehauen.

So wie Rockstars Hotelzimmer zerstören?

Diesem Geist entspricht das vermutlich. Gleichzeitig mit mir waren Leute vor Ort, die Pfand gesammelt haben. Diese zwei verschiedenen Ökonomien sind dort aufeinandergeprallt – und ich stand dazwischen. Ich hätte meine Kamera mitbringen sollen! Stattdessen habe ich die kaputten Zelte eingesammelt und für meine Installation benutzt.

Installationen kombinierst du oft mit Videos, worum geht es dir dabei?

Für mich ist Video ein Medium, um mich mit den Geräuschen in unserer Umgebung sowohl auditiv wie visuell auseinanderzusetzen. Ich komme aus einer sehr lauten Gegend, in Korea ist immer Lärm. Ich bin mit K-Pop aufgewachsen. Ob du willst oder nicht, ist diese Musik immer und überall zu hören. Überall hängen aufgedrehte Fernseher. Daher erscheint es mir natürlich, den Sound eines Videos in meiner Installation mitlaufen zu lassen.

Wie entstehen deine Titel?

Manchmal ist ein Satz von Anfang an da. Manchmal bleibt etwas bei der Recherche hängen. Meine Recherche ist ein Instrument, um eine Verbindung zwischen meiner Biografie und meinem Werk zu ziehen. Wo stehe ich? Wozu habe ich eine Meinung? Meine Titel sind daher sehr wichtig.

Warum machst du bei Goldrausch mit?

Ich hatte großen Drang nach Gemeinschaft, deshalb klang Goldrausch sehr vielversprechend. Wir machen alle etwas anderes, so können wir uns austauschen, ohne ein Gefühl von Konkurrenz.

Interview: Beate Scheder Foto: Atsushi Kakefuda

Irene Fernández Arcas

Altar a la Risa

Textbeitrag: Sarah Reva Mohr
Gestaltung: Louise Borinski
16 Seiten, 37 Abbildungen

Lexia Hachtmann

zwischenstand

Textbeitrag: Jan Koslowski
Gestaltung: Daniel Hahn
16 Seiten, 21 Abbildungen

Bethan Hughes

Fünf Fragen an …

Bethan Hughes (geb. 1989 in Wigan, UK) hat Fine Art an der Glasgow School of Art und Medienkunst an der Bauhaus-Universität Weimar studiert. Im Jahr 2020 erhielt sie einen Doktortitel von der University of Leeds für ihre Dissertation Against Immateriality: 3D CGI and Contemporary Art. Ihre Arbeiten wurden zuletzt bei Centrum Berlin, bei HAUNT/Frontviews, Berlin und an der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig gezeigt. Von 2019–2020 war sie Braunschweig-Projects-Stipendiatin und 2018 Mitbegründerin der audiovisuellen Plattform Poor Image Projects. Bethan Hughes lebt und arbeitet in Berlin.

In deinem aktuellen Projekt beschäftigst du dich mit Kautschuk. Wie kamst du darauf?

2017 habe ich zum ersten Mal damit gearbeitet, damals im Zusammenhang mit sogenannten „Soft Body Dynamics“. Dabei geht es darum, mittels 3D-Software flexible, organische Körper zu simulieren. Ich wollte diese Formen analog nachbauen. Kautschuk erschien mir als Material dafür am besten geeignet. Anfangs ging es mir nur um die taktilen Eigenschaften, aber weil das Material so faszinierend ist, habe ich noch in einigen weiteren Projekten damit gearbeitet. Letztes Jahr habe ich dann angefangen, über seine Geschichte und die botanischen Zusammenhänge zu lesen und auf einmal haben viele Dinge angefangen, zusammenzupassen.

Wie meinst du das?

Metaphorisch wie physisch verrät es für mich sehr viel darüber, wie Menschen mit der Welt interagieren. Mesoamerikanische Gemeinschaften haben Kautschuk vor Tausenden von Jahren aus Bäumen extrahiert und in spirituellen Zeremonien benutzt. Später spielte er eine große Rolle im Kolonialismus, wurde industrialisiert, kommerzialisiert und als materieller Fetisch sogar Teil des Intimlebens der Menschen. Auf eine Art verbindet er heute alle unsere Körper.

Wie recherchierst du?

Recherche ist ein großer Teil meiner Arbeit. Sie kann aber sehr unterschiedlich aussehen. Mal beschäftige ich mich mit einer bestimmten Software, mal lese ich, wie in diesem Fall, Texte zur Kolonialgeschichte, aber auch die Arbeit im Garten kann Recherche sein.

Wie entsteht daraus eine Form?

Wichtig ist mir, dass die Betrachter:innen das eigentliche Kunstwerk als taktile, körperliche Erfahrung erleben. Ich hoffe, die Menschen können sich damit auf einer physischen Ebene verbinden, angereichert durch die Themen der Recherche.

Warum machst du bei Goldrausch mit?

Goldrausch ist eine tolle Gelegenheit, viele neue Leute kennenzulernen und meine Verbindung zu Berlin zu vertiefen – und natürlich all das zu lernen, was zumindest an den Kunsthochschulen, die ich besucht habe, kein Thema war.

Interview: Beate Scheder Foto: Lukas Städler

Barbara Lüdde

Fünf Fragen an …

Barbara Lüdde (geb. 1985 in Weimar) schloss ihr Studium 2018 bei den Professoren Gesa Lange und Henning Kles an der HAW Hamburg ab. Beide prägten ihre Leidenschaft für die Graustufenzeichnung und das Porträt. Im selben Jahr veröffentlichten Barbara Lüdde und Jot Vetter das Buch Our Piece of Punk – Ein queer_feministischer Blick auf den Kuchen. Es folgten mehr als 35 Buchvorträge. Lüdde lehrte 2020 Zeichnen an der Bauhaus-Universität Weimar und seit 2021 unterrichtet sie an der HAW in Hamburg. Ihre Arbeiten wurden in Einzel- und Gruppenausstellungen in Hamburg, Berlin, Leipzig, Stuttgart, Bologna, Gent, Oakland und Tokio gezeigt. Barbara Lüdde lebt und arbeitet in Berlin.

Wie kamst du zur Zeichnung?

Das ist bei mir biografisch bedingt. Ich habe als Kind angefangen zu zeichnen, als Jugendliche war das Zeichnen für mich eine Möglichkeit, mich mit mir selbst und meinen Erfahrungen als heranwachsende Frau auseinanderzusetzen. Dann kam das Studium dazu. Was mich an der Zeichnung immer fasziniert hat, ist ihre Direktheit. Ich arbeite mit Tusche, und die ist nicht wegzuradieren. Wie im Leben: Es geht nur nach vorne und nicht zurück.

Wie findest du deine Motive?

Ich zeichne figurativ und hauptsächlich Menschen. Meine Porträts zeigen aber weder real existierende Personen noch wirklich fiktive. Meine Arbeitsweise beruht darauf, dass ich viel von dem sammle, was ich soziale Codes nenne: Körperhaltungen, Accessoires, Sprache oder Frisuren, die auf eine vermeintliche Identität verweisen. Ich sammle diese häufig aus Subkulturen, weil mich interessiert, wie sich diese einerseits abgrenzen, andererseits Vergemeinschaftung und Zugehörigkeit suchen.

Wie viel von dir selbst steckt in deinen Zeichnungen?

Ich kann nicht behaupten, dass die Zeichnungen nicht auch mit mir selbst zu tun hätten. Wenn ich an einer Zeichnung arbeite, gehe ich eine starke Verbindung mit dem Blatt ein. Das Blatt kommuniziert mit mir und ich mit dem Blatt.

Was möchtest du bei deinem Publikum bewirken?

Ich möchte Dinge hinterfragen und das Publikum konfrontieren. Das erzeuge ich dadurch, dass ich mit Ambivalenzen spiele. Beispielsweise mit Vorstellungen von Schönheit und Hässlichkeit, Stärke und Schwäche oder angeblich „geschlechtertypischen“ Codes. Ich möchte dabei aber niemanden zur Schau stellen. Mir ist es wichtig, einen sensiblen Umgang mit dem Menschen zu bewahren.

Warum machst du bei Goldrausch mit?

Der Austausch, den Goldrausch bietet, ist wirklich Gold wert. Das Spannende ist, dass wir alle aus komplett unterschiedlichen Disziplinen kommen und uns gegenseitig viele verschiedene Blickwinkel zeigen können.

Interview: Beate Scheder Foto: Jenny Bewer

Heyon Han

Proof of Mother

Textbeitrag: Leon Leube
Gestaltung: Lilly Urbat
16 Seiten, 8 Abbildungen

Rachel Monosov

Fünf Fragen an …

Rachel Monosov (geb. 1987 in Russland) arbeitet mit Performance, Fotografie, Video und Skulptur. Indem sie sich mit kulturellen Vorstellungen von Entfremdung, territorialer Zugehörigkeit und Identität auseinandersetzt, reflektiert sie eine wurzellose Gegenwart, die weitreichende soziale Implikationen mit sich bringt. Monosovs Arbeiten wurden in Ausstellungen in der Bundeskunsthalle Bonn, im Art Institute of Chicago, im Palazzo delle Esposizioni in Rom und auf Biennalen gezeigt, so auf der 11. Bamako Biennale, der 13. Biennale von Dakar und im Simbabwe-Pavillon auf der 57. Biennale di Venezia. Sie erhielt das Praxisstipendium der Deutschen Akademie Rom Villa Massimo.

Du hast kürzlich eine Online-Performance namens „Liminal” gemacht. Was war das Besondere daran?

„Liminal“ ging aus einer Ausstellung in der Villa Massimo hervor, die wegen Covid 19 nicht stattfinden konnte. Meine Idee war es, stattdessen eine Performance zu kreieren, die online erscheinen sollte, ohne live aufgeführt zu werden. Die Arbeit enthält und reflektiert viele Fragen, die mich und mein Umfeld im vergangenen Jahr sehr beschäftigt haben. Ich habe E-Mails an Freund:innen und Kolleg:innen geschickt und gefragt, wie diese Zeit unsere Körper und unseren psychischen Zustand verändern wird.

Und was vermuten sie?

Dass wir langsamer gehen, unserem Atem mehr Aufmerksamkeit widmen und besorgter um unsere Umwelt sein werden. „Liminal“ verteilt sich online auf drei Räume der Galerie, die man individuell betreten kann. Jeder Raum steht für einen anderen Zustand, den die Performer:innen ausdrücken.

Wie groß war die Herausforderung, die Arbeit zu realisieren?

Es war eine sehr große Produktion, fast wie bei einem Film. Es waren immer mehr als zehn Menschen am Set. Allein das war während der Pandemie eine große Herausforderung. Wir mussten ständig Tests machen und hatten natürlich auch Angst vor einer Ansteckung. Es war sehr seltsam, weil für lange Zeit niemand von uns mit so vielen Leuten zusammengearbeitet hatte.

Wie findest du normalerweise die Ideen für deine Arbeiten?

Ich arbeite mit sehr verschiedenen Medien – immer mit denen, die meine Idee am besten repräsentieren, daher gibt es keine Linie, die sich durchzieht. Meist sind meine Ideen mit politischen Ereignissen verknüpft, die in der Welt oder den Ländern, aus denen ich komme, geschehen sind. Meine Arbeiten sind nicht autobiografisch, aber ich habe immer eine persönliche Verbindung zu den Themen.

Warum machst du bei Goldrausch mit?

Ich habe nie in Deutschland studiert und wollte besser verstehen, wie die Dinge in Deutschland und Berlin funktionieren. Und ich wollte mich mit anderen Künstlerinnen vernetzen.

Interview: Beate Scheder Foto: Carlo Alberto Norzi

Bethan Hughes

Hevea

Textbeitrag: Kassandra Nakas
Gestaltung: Alina Schmuch
16 Seiten, 10 Abbildungen

Barbara Lüdde

Zeitgeister

Textbeitrag: Maximiliane Schmid
Gestaltung: Fabian Bremer
16 Seiten, 34 Abbildungen

Ingrid Ogenstedt

Fünf Fragen an …

Ingrid Ogenstedt ist eine in Schweden geborene Künstlerin, die sowohl mit großen Skulpturprojekten als auch mit Zeichnungen arbeitet. Ihre Arbeit zielt darauf ab, Materialien zu untersuchen, die eine starke kulturelle Verbindung und Bedeutung haben. Diese nutzt sie für ihre skulpturalen Arbeiten, um die Mensch-Natur-Polarität zu hinterfragen. Sie studierte an der Umeå Academy of Fine Arts (Nordschweden) und bei Prof. Ingo Vetter an der Hochschule für Künste Bremen. Sie hat ortsspezifische Skulpturen für die Galerie Wedding, Berlin, die Luleå Biennial 2020 (SE), das internationale Ausstellungsprojekt Wadden Tide, Blåvandshuk (DK) und die Kjerringøy Land Art Biennial (NO) geschaffen. Kürzlich hat sie ein zweijähriges Arbeitsstipendium des Swedish Art Council erhalten.

Du baust Skulpturen im und für den Außenraum. Wie entstehen deine Ideen?

Ich arbeite oft ortsspezifisch und nehme das Material, das ich vorfinde, als Ausgangspunkt. Über dieses Material versuche ich mich den kulturgeschichtlichen Erzählungen anzunähern, die sich vor Ort überlagern.

Was sind das für Materialien?

Hauptsächlich Naturmaterialien. Oft komme ich über bestimmte Techniken, die lokal angewendet werden, auf sie. Stampflehmbau war das kürzlich. Man hat diese Technik Tausende von Jahren an verschiedenen Orten der Welt benutzt, dann geriet sie in Vergessenheit. Bei einem anderen Projekt habe ich mit Reet gearbeitet, wie man es zum Dachdecken verwendet. Wenn es möglich ist, versuche ich solche traditionellen Handwerkstechniken bei Menschen vor Ort zu lernen.

Dein künstlerischer Prozess ist oft körperlich anstrengend, er erfordert Tätigkeiten von dir, die du nicht gewöhnt bist. Wieso tust du dir das an?

Körperlichkeit ist mit dem skulpturalen Arbeiten sowieso schon verknüpft. Man denkt mit dem Körper, muss sich mit dem Körper zur Form verhalten. Die Arbeit mit dem Körper interessiert mich auch, weil sie immer kulturell bedingt ist. In Island habe ich Skulpturen aus Torf gebaut. Das war sehr schwere Arbeit, weil der Torf nass ist und Tonnen wiegt. Das Wetter ändert sich ständig. Mal ist es eiskalt, mal gibt es starke Sonne und du musst da stehen und arbeiten. Für mich sind solche Erfahrungen stark mit Geschichte und dem Leben und Streben des Menschen verbunden.

Wen willst du mit deinen Skulpturen ansprechen?

Ich habe kein bestimmtes Publikum vor Augen und freue mich, wenn auch Nicht-Kunstinteressierte einen Bezug finden, zum Beispiel über Materialien, die sie kennen. Ich möchte allen einen einfachen Einstieg geben.

Warum machst du bei Goldrausch mit?

Als Mutter von zwei Kindern muss man neue Prioritäten setzen. Goldrausch ist eine tolle Möglichkeit, dabei Unterstützung zu bekommen, und es ist ein Luxus, diese Vielfalt kompetenter und interessanter Menschen kennenzulernen.

Interview: Beate Scheder Foto: Arne Rawe

Rachel Monosov

Textbeitrag: Philipp Rhensius
Gestaltung: Studio Laurens Bauer
16 Seiten, 22 Abbildungen

Nnenna Onuoha

Fünf Fragen an …

Nnenna Onuoha (geb. 1993 in Lagos) ist eine in Berlin lebende ghanaisch-nigerianische Forscherin, Filmemacherin und Künstlerin. Derzeit ist sie Doktorandin in Anthropology with Critical Media Practice an der Harvard University in Cambridge (MA), USA und erforscht Gedenkkulturen und monumentale Stille in Europa und Westafrika. 2020 erhielt sie das Berliner Senatsstipendium für Filmemacherinnen, außerdem wurde ihre Arbeit bei alpha nova & galerie futura ausgestellt. 2021 ist sie Berlin Resident im Projekt Dekoloniale Erinnerungskultur in der Stadt und Fellow des Projekts Global Memories of German Colonialism.

Was machst du in deinem aktuellen Projekt?

Da gibt es mehrere. Unter anderem bin ich dabei, ein Soundpiece abzuschließen. Ich habe Alltagsgeräusche in der M-Straße in Berlin aufgenommen, außerdem Interviews mit Menschen geführt, die an der Umbenennungsdebatte beteiligt waren.

Normalerweise machst du Filme, warum jetzt „nur“ Sound?

Auch bei meinen Filmen starte ich mit den Interviews, mit den Stimmen von Menschen, also immer mit dem Sound. Die Bilder kommen erst später hinzu. Ich habe mich gefragt, was passiert, wenn ich die Bilder einfach weglasse.

Wie findest du deine Themen?

Zuletzt hatten viele meiner Projekte einen historischen Hintergrund. Meist ging es um Kolonialismus oder die Geschichte der Versklavung. Das entsteht aus Alltagserfahrungen heraus. Ich komme ursprünglich aus Ghana und Nigeria und bin viel umgezogen. An jedem neuen Ort hat mich immer jemand nach Afrika gefragt oder einen Kommentar dazu abgegeben. In Lissabon erinnerte mich jeder daran, wie Portugal Afrika „entdeckte“. In Berlin habe ich mich viel mit der Umbenennung der M-Straße beschäftigt. Es geht oft um die Verbindung zwischen einem europäischen Land und meiner Heimat. Vielleicht liegt das auch daran, dass ich Geschichte und Anthropologie studiert habe und sensibler für solche Themen bin.

Welches Publikum möchtest du erreichen?

Mir geht es vor allem um Menschen wie mich, weil es nicht viele Medien gibt, die sich direkt an uns wenden. Selbst wenn Ausstellungen oder Filme von Schwarzen oder der Afrodiaspora handeln, kann man oft definitiv merken, dass sie sich an einen weißen, westlichen Blick richten. In meinen Arbeiten möchte ich das anders machen.

Warum machst du bei Goldrausch mit?

Bevor ich im vergangenen Jahr meine erste Ausstellung gemacht habe, habe ich nie über die Möglichkeit nachgedacht, Künstlerin zu sein. Ich komme aus der Wissenschaft und vom Filmemachen und kenne mich mit der Kunstwelt kaum aus. Die Workshops helfen mir daher sehr.

Interview: Beate Scheder Foto: Nnenna Onuoha

Ingrid Ogenstedt

Unearthed Portals – Rising Figures

Textbeitrag: Emily Fahlén, Ingrid Ogenstedt
Gestaltung: Lena Wessel
16 Seiten, 12 Abbildungen

Anna Slobodnik

Fünf Fragen an …

Anna Slobodnik (geb. 1990 in Moskau) hat ihr Studium der Malerei und Zeichnung an der Universität der Künste Berlin bei Mark Lammert und Julia Grosse sowie am Surikov Art Institute in Moskau absolviert. Ihre Arbeiten waren in zahlreichen Ausstellungen zu sehen, unter anderem in Brüssel, im italienischen Olevano Romano, in Danzig, Oklahoma City, München, Heidelberg und Berlin. Sie war Preisträgerin des Schulz-Stübner-Preises der UdK Berlin, des Förderpreises für Junge Kunst des Kunstvereins Centre Bagatelle in Berlin und Stipendiatin der Jungen Akademie Berlin in der Villa Serpentara in Olevano Romano. Sie lebt und arbeitet in Berlin.

In deiner Malerei geht es viel um Muster. Woher kommen die?

Zu Beginn habe ich viel mit Muster- und Tapetenbüchern gearbeitet, aber davon bin ich relativ schnell abgewichen. Meine Muster entstehen mehr oder minder spontan, aber es ist schon so, dass bestimmte Muster häufiger vorkommen als andere, viele verweisen auf Interieur und Objekte.

Was interessiert dich an Mustern?

Ich komme ursprünglich aus Russland, dort spielt das Muster im Innenraum eine viel größere Rolle. Vielleicht habe ich unterbewusst deswegen angefangen, mich mit Mustern zu beschäftigen. Das Interieurobjekt spielt sowohl kunstgeschichtlich als auch im Alltag eine Nebenrolle. Es wird selten primär wahrgenommen, im Gegensatz zum Bild als Kunstwerk. Das finde ich spannend. Mich interessieren aber auch die malerischen Möglichkeiten von Mustern, die Motivmöglichkeiten, die Repräsentation der Fläche an sich. Und mich interessiert der Bruch des Musters: Wo funktioniert Symmetrie noch und wo plötzlich nicht mehr? Was kann das Auge noch als Symmetrie werten, obwohl sie fast gar nicht mehr da ist?

Du machst auch Videos. Wie hängt das zusammen?

Der gemeinsame Ursprung ist vielleicht die Erfahrung der Immigration und das Kennenlernen der zwei Welten. Bei den Mustern in meiner Malerei ist das eher unterbewusst, bei den Videos ist diese Erfahrung aber sehr präsent, in den Beziehungen, die sich daraus ergeben, und in den Brüchen.

Wie entstehen die Videos?

Aus einem Sammeln von Material. Ich drehe relativ selten explizit für bestimmte Videos, sondern einfach in Momenten, die ich wichtig finde und dann entstehen daraus irgendwann die Videoarbeiten. Das ist ein sehr langsamer Prozess, den ich nicht wirklich kontrollieren kann.

Warum machst du bei Goldrausch mit?

Weil ich an einem Punkt in meiner künstlerischen Arbeit war, an dem ich gemerkt habe, dass ich alleine nicht mehr weiterkomme. Goldrausch ist für mich ein sicherer Ort, um ein beständiges Netzwerk zu kreieren.

Interview: Beate Scheder Foto: Anna Slobodnik

Hana Yoo

Fünf Fragen an …

Hana Yoo (geb. 1987 in Busan, Südkorea) interessiert sich für die kollektiven Ängste und transzendentalen Erfahrungen, die aus dem natürlich-artifiziellen Prozess der Umkehrung der Perspektive entstehen. In ihrer Arbeit mit Film und Multimedia-Installation sammelt sie Allegorien und technologische Aneignungen der Natur und rekonstruiert sie durch fantastische und dokumentarische Erzählungen. Ihre Arbeiten wurden unter anderem im Fotomuseum Winterthur (CH), auf dem European Media Art Festival in Osnabrück und dem Busan International Video Art Festival in Südkorea gezeigt. Derzeit arbeitet sie als Artist in Residence im Vilém Flusser Archiv, Berlin.

Woran arbeitest du gerade?

Ich bereite gerade ein Film- und Installationsprojekt vor, das sich mit Tierversuchen beschäftigt, besonders mit solchen an Ratten und Mäusen. Ich untersuche deren ethische und moralische Aspekte und erweitere meine Forschung auf unsere Beziehung zu Technologie und Tieren. Mich interessiert insbesondere, wie sie unsere Perspektive auf die Umwelt, den Planeten und die Natur verändert.

Was bewirkt dieser Perspektivwechsel?

Durch Medien, Texte oder Technologien verändern wir ständig unsere Perspektive. In dem Moment, in dem das geschieht, können einerseits kollektive Ängste entstehen, aber auch das aufregende Gefühl, etwas beinahe Übersinnliches zu erleben. Die Klimakrise ist dafür ein gutes Beispiel. Wir versuchen sie zu erfassen, schaffen es aber nicht, weil sie größer ist als wir.

Mit welchen Technologien beschäftigst du dich in deiner Kunst?

Früher habe ich viel mit Virtual Reality gearbeitet, weil das ein sehr deutliches Beispiel dafür ist, wie die Perspektive verändert, begrenzt oder erweitert werden kann. In meinem aktuellen Projekt untersuche ich Machine Learning: Wie wir Maschinen etwas beibringen und dann wiederum von diesen etwas lernen – und inwiefern Tierversuche dabei involviert sind. Diese Technologien benutze ich hauptsächlich konzeptuell. Mich interessiert sehr, welche Folgen es hat, dass die Lücke zwischen immer umfassenderen Technologien und dem menschlichen Verständnis immer größer wird.

Wie viel Zeit nimmst du dir für Recherche?

Sehr viel. Wenn ich ein Jahr an einem Projekt arbeite, nimmt das Recherchieren und Schreiben beinahe zehn Monate ein. Bei der Produktion selbst bin ich sehr schnell. Sobald die Idee steht, kann ich das in kurzer Zeit realisieren.

Warum machst du bei Goldrausch mit?

Ich wollte lernen, als professionelle Künstlerin zu arbeiten und andere Künstlerinnen kennenlernen, die sich in derselben Position befinden.

Interview: Beate Scheder Foto: Atsushi Kakefuda

Nnenna Onuoha

Afterlives

Textbeitrag: Deborah Frempong
Gestaltung: Danielle Rosales
16 Seiten, 61 Abbildungen

Anna Slobodnik

Blau Schwarz Rosa Grün

Textbeitrag: Olga Vostretsova
Gestaltung: Anna Luszcz
16 Seiten, 12 Abbildungen

Hana Yoo

Hana Yoo

Textbeitrag: Martha Schwendener
Gestaltung: Delia Keller
16 Seiten, 22 Abbildungen

Mutual Matters – Goldrausch 2021

256 Seiten ISBN: 978-3-941318-78-6