
Fünf Fragen an …
Saša Tatić (* 1991 in Bosnien und Herzegowina) macht die gesellschaftlichen Rollen, die sie einnimmt – Tochter, Erbin und Mitglied der Diaspora – transparent, um über umfassendere Erfahrungen von Zuhause, Zugehörigkeit und Identität nachzudenken. In ihrer multimedialen Praxis nutzt sie häufig Text als vermittelndes Element, um so vielschichtige Möglichkeiten der Identifikation zu eröffnen. Sie ist Absolventin der Bauhaus-Universität Weimar und der Academy of Arts, University of Banja Luka. Sie hat zahlreiche Auszeichnungen und Preise erhalten und ihre Arbeiten wurden international ausgestellt, unter anderem in der Summerhall in Edinburgh, im Kunstmuseum Bochum und bei der WRO Media Art Biennale in Breslau.
In deiner Kunst möchtest du die Rollen, die du mit dir herumträgst, transparent machen. Welche sind das?
Das sind meine unterschiedlichen Rollen als Tochter meiner Eltern, als Schwester, als Mitglied der bosnischen Community und als Künstlerin. Sie alle sind Teile meiner Identität, die durch die Distanz zu dem Ort, an dem ich aufgewachsen bin, noch stärker hervortreten.
Fehlen solche Perspektiven bislang?
In früheren Generationen lag der Fokus auf dem Krieg. Die Generation, zu der ich gehöre, beschäftigt sich vor allem mit dessen Konsequenzen. Ich erinnere mich nicht an das, was dort geschehen ist. Meine Eltern sind noch sehr darin verhaftet. Ich versuche, ihre Position zu verstehen, während ich mein Leben völlig anders weiterlebe, als sie es sich vorstellen können. Ich fühle mich verpflichtet, mich ihnen und anderen immer wieder zu erklären.
Wie thematisierst du das?
Ich nehme mich und meine Familie als Beispiel: eine durchschnittliche Familie aus der unteren Arbeiterschicht. Ich gehe meinen eigenen Weg ohne finanzielle Unterstützung der Eltern, aber mit ihrem Rückhalt. Ich stelle zur Schau, was ich selbst erlebt habe, und merke an der Resonanz, dass viele Menschen in meinem Alter, die auch ins Ausland gegangen sind, ähnlich festgefahrenen Vorstellungen davon begegnen, wie das Leben verlaufen sollte.
In welcher Form zeigst du das?
Text ist für mich die direkteste Ausdrucksform. Ich mache viele Notizen, die ich in meine Arbeiten einbaue, in Malerei, Druck – und zuletzt auch in große Fotohintergründe. Die Texte enthalten Aussagen zu Migration, poetische Reflexionen über die Beziehung zur Heimat und zu geliebten Menschen. Durch das Format, das gut in die sozialen Medien passt, wandert die Arbeit weiter und entwickelt ein Eigenleben.
Warum machst du bei Goldrausch mit?
Ich bin als Freiberuflerin oft abgelenkt, Goldrausch gibt mir Struktur. Ein weiterer Vorteil ist die Sichtbarkeit, die man in Berlin erhält. Von den Personen, die uns unterrichten, bekomme ich gute Rückmeldungen. Das schenkt mir Selbstvertrauen.
Interview: Beate Scheder