Screening: 30 Jahre Goldrausch

SCREENING: VIDEOPROGRAMM

30 Jahre Goldrausch Künstlerinnenprojekt

Kollaboration, Zusammenhalt, Selbstorganisation

Am Wochenende vom 5. und 6. Dezember 2020 präsentierten wir Videoarbeiten von ehemaligen Goldrausch Teilnehmerinnen auf unserer Website. Die einzelnen Arbeiten in den unten dargestellten vier Blöcken wurden von einer Auswahlkommission in einem kollaborativen Prozess kuratiert. Dazu wurden die Goldrausch Alumnae per Open Call aufgerufen, passende Arbeiten zum Thema Kollaboration, Zusammenhalt, Selbstorganisation einzureichen.

Das Format des Videoprogramms hat sich während des Jahres 2020 gewandelt: Eingangs als Kino Special geplant, später als hybride Präsentation im Studio 1 / Kunstquartier Bethanien sowie parallel auf unserer Website, wurde es letztendlich aufgrund des pandemiebedingten Shutdowns kultureller Einrichtungen im Dezember 2020 als digitales Website-Screening präsentiert.

Umso relevanter war in diesem Zeitraum der Fokus auf Kollaboration, Zusammenhalt, Selbstorganisation – gerade für Künstler:innen, die oftmals als Solo-Selbständige arbeiten. In den unten beschriebenen Videos werden die drei Themen breit verhandelt, manchmal ganz zentral fokussiert und manchmal auch nur gestreift.

Mit dem Screening wurden anlässlich 30 Jahren Goldrausch Künstlerinnenprojekt Ausschnitte der künstlerischen Produktion ehemaliger Teilnehmerinnen in Form vielfältiger Video-Arbeiten gezeigt. Wir wollten so ein Licht auf diese Community von 447 Goldrausch Künstlerinnen werfen. Sie alle teilen einen gemeinsamen Wissens- und Erfahrungsschatz, welcher nicht nur in der Selbstorganisation als Künstlerin wertvoll ist, sondern hoffentlich auch immer weiter zu Kollaboration und Zusammenhalt anregen wird.

Auswahlkommission: Yalda Afsah, Künstlerin und Goldrausch Alumna 2014, Kira Dell, Projektkoordinatorin Goldrausch Künstlerinnenprojekt, und Olaf Stüber, Kurator und Publizist im Bereich Bewegtbild
Kuratorische Assistenz und Kurztexte: Anna-Sophia Emminger

PROGRAMM

BLOCK I

Elly Clarke

[Goldrausch Teilnehmerin 2010]

Elly Clarke, #Sergina’s Webinar about Relationship Advice in a Time of Covid, 2020, 13:41 Min.

„Life is a screen right now.“ Elly Clarkes Alter Ego #Sergina nimmt die Ausnahmesituation zum Anlass, ihrem Publikum Beziehungs- und Survivaltips in Zeiten von Covid-19 zu geben. Sie veranstaltet eine virtuelle Performance voller origineller Gestalten und Drag-Agent:innen, die in eine farbenfrohe, überdrehte Choreografie mündet. Dabei schiebt die Moderatorin multiple visuelle Ebenen in- und übereinander. Die Videoarbeit enstand als Teil einer Ausstellung des Digital Artist Resource Centre (DARC) in Ottawa, Kanada und widmet sich den Fragen: Wie können wir unser Zusammenleben und Beisammensein digital und analog gestalten? Wie kann eine Performance im digitalen Raum gelingen?
http://www.ellyclarke.com

Carolina Hellsgård

[Goldrausch Teilnehmerin 2011]

Carolina Hellsgård, Läufer, 2013, 14:22 Min.

Carolina Hellsgård erzählt vom jungen, aus dem Libanon geflüchteten Amal. Er lebt in einer Unterkunft für Asylbewerber, hilft einem Dealer beim Verkauf von Drogen in der U-Bahn, ist einsam und isoliert – bis er eines Tages auf Clara trifft. Die Geschichte ist inspiriert von wahren Begebenheiten: In der Berliner U-Bahn wurden von der Polizei jugendliche Geflüchtete aufgegriffen, die ohne Familie in Deutschland lebten. Waren sie älter als 14, wurden sie umgehend deportiert. Die Künstlerin spürt in eindrücklichen Bildern der Erfahrungswelt Amals nach.
http://www.hellsgard.com/

Michelle-Marie Letelier

[Goldrausch Teilnehmerin 2010]

Michelle-Marie Letelier, Outline for The Bonding, 2017–2019, 5:21 Min.

Ein Lachs wird zum Ausgangspunkt der Kollaboration zwischen der Künstlerin Michelle-Marie Letelier sowie Fischer:innen und Forscher:innen der Universität Bergen (UiB). Die Künstlerin unterlegt 16mm Filmaufnahmen mit mit Auszügen aus einem Gespräch mit Sámi Künstler und Akademiker Ánde Somby. Er spricht über die Freiheit des Lachses, die ethischen Implikationen der Fischzucht in Aquakulturen und das Essen als Form der Kommunikation. Die Arbeit kreist um vielfältige kulturelle und gesellschaftliche Verbindungen, die jedes Objekt, jeden Körper zum Teil eines unsichtbaren Netzwerks machen und so unzählige Metaphern, Verweise und Analogien ermöglichen.
http://michellemarieletelier.net

Vassiliea Stylianidou aka Franck-Lee Alli-Tis

[Goldrausch Teilnehmerin 1999/2000]

Vassiliea Stylianidou aka Franck-Lee Alli-Tis, WordMord_an on-going collective project about the relation between language, violence and trauma, 2020, 3:32 Min.

Begonnen als Teil eines Seminars der Künstlerin am Centre of New Media and Feminist Practices in the Public Space in Thessalien (Griechenland), ist WordMord_ inzwischen ein weitreichendes, kollektives Projekt. Es ist der Aufarbeitung und Dekonstruktion diskriminierender sprachlicher Strukturen verschrieben. Ausschlaggebend für diese Ausrichtung waren die misogyn und homophob motivierten Morde an Zak Kostopoulos / Zackie Oh und Eleni Topaloudi. Das Projekt behandelt das Verhältnis zwischen dem Gebrauch von Worten, Gewalt und Trauma und die kollaborative Kreation neuer, queerer Sprachen und Narrative.
https://www.stylianidou.com/home.html

Susanne Weirich

[Goldrausch Teilnehmerin 1994/1995]

Susanne Weirich, ENKI100.NET, 2006, 4:33 Min.

Was passiert, wenn Kollaboration und Selbstorganisation nicht mehr ausreichen? Kann dann eine höhere Macht helfen? Susanne Weirich geht in ihrem Erzählprojekt, das von 2004 bis 2005 in Zusammenarbeit mit Robert Bramkamp entstand, diesen Fragen nach. Sie lässt Fakten und Fiktion sowie Gewöhnliches und Übernatürliches in der Geschichte einer Arbeitsgemeinschaft der besonderen Art verschwimmen: Der sumerische Gott Enki wird reinkarniert – in Gestalt eines Vereinsmitglieds des Seesportclub Wendisch-Rietz in Brandenburg. Er vergibt fortlaufend sogenannte ME – besondere Fähigkeiten von go?ttlicher Qualita?t – an verschiedene Menschen rund um den See, deren Performance dokumentarisch inszeniert wird.
https://www.susanneweirich.com

 

BLOCK II

Laure Catugier

[Goldrausch Teilnehmerin 2017]

Laure Catugier, Grater, 2017, 3:30 Min.

Bei Grater handelt es sich um die Dokumentation einer Soundperformance von Laure Catugier. Die Künstlerin arbeitet sich mit einer handelsüblichen Küchenreibe an einem porösen Betonblock ab, der seinerseits zum widerständigen Körper wird. Was eigentlich hergestellt wurde, um etwas aufzubauen wird nun zum Gegenstand der Destruktion. Laure Catugier löst in ihrem Werk ein Objekt aus seinem Sinnzusammenhang, das prädestiniert ist, erst im Verbund mit anderen seiner Art seinen Zweck zu erfüllen und weist ihm einen neuen Kontext zu – das Feld der künstlerischen Praxis, auf dem der Block symbolischen Charakter gewinnt.
http://www.laurecatugier.com

Diese Frau (u. a. Elisa Ewert & Rike Horb)

[Goldrausch Teilnehmerinnen 2016]

Diese Frau, Monologe mit der Kunst, 2017, 3:16 Min.

Gesten und Mimik, losgelöst von ihrem Kontext, deuten Gespräche und eine intensive Interaktion an. Und doch ist nie genau zu hören, was gesprochen wird. Die Künstlerinnengruppe Diese Frau stellt den Aufnahmen einer Ausstellungseröffnung stattdessen eine undefinierbare, an Science-Fiktion-Filme erinnernde Geräuschkulisse zur Seite. Nahaufnahmen wechseln sich ab mit surreal anmutenden Szenen und Situationen: Eine Person verbiegt eine lange Metallstange, eine junge Frau greift in ein organisch geformtes Objekt, an ihren Händen bleibt Farbe zurück. Im Rahmen einer inszenierten Ausstellungseröffnung treten Menschen in Kontakt mit der Kunst. Letztere wird selbst zur Protagonistin und offenbart den kollektiven Charakter ihres Entstehungsprozesses.
https://diesefrauonline.hotglue.me/start

Katrin Glanz

[Goldrausch Teilnehmerin 1995/1996]

Katrin Glanz, Was tun?, 2018, 13:02 Min.

Über einen Zeitraum von beinahe einem Jahr stellte Katrin Glanz unterschiedlichen Menschen die Frage: „Was würden Sie mir als bildende Künstlerin in der heutigen Zeit raten zu tun?“ Die vielfältigen Antworten, die sie erhielt, zeichnen ein facettenreiches Bild künstlerischer Praxis und deren Wahrnehmung. Besonders häufig verweisen die befragten Personen auf das Weltgeschehen, auf die Bezugnahme auf politisch relevante Themen. Ein Wort fällt wieder und wieder: Kontakt. Das Zusammenwirken mit anderen, mit Gesellschaft und Politik wird von vielen als essentielle Komponente der Kunst begriffen. Aber auch für Zweifel bleibt Raum: Sollte man überhaupt Kunst machen?
https://www.katringlanz.de

annette hollywood

[Goldrausch Teilnehmerin 2005]

annette hollywood, BIGASSO BABY, 2014, 10:45 Min.

„Art is working on Utopia and not just on becoming a star.“ Mit feiner Selbstironie und einer guten Portion Gesellschaftskritik nimmt annette hollywood die elitären Tendenzen der Kunstwelt und des Rappers Jay-Z auf die Schippe. Letzterer stilisierte sich in seinem Musikvideo „Picasso Baby“ zur Kunstikone und reduzierte dabei die Kunst auf ihre Funktion als exklusives Statussymbol. In ihrer offensiven Antwort macht annette hollywood hingegen auf nicht-kommerzielle Formen von Kunst und deren politischen und widerständigen Wert aufmerksam. Im Zentrum ihrer Arbeit steht die künstlerische Praxis im Spannungsfeld von Kommerzialisierung einerseits und Prekariat vieler Kunstschaffender andererseits.
http://www.annettehollywood.com

Anja Kempe

[Goldrausch Teilnehmerin 2004]

Anja Kempe, Aufschwung, 2002, 3:50 Min.

Unter Verwendung der Rede des ehemaligen Bundeskanzlers Gerhard Schröder zur Lage der Deutschen Wirtschaft am 04. Juli 2002, widmet sich die Arbeit von Anja Kempe den Themen der Wettbewerbsfähigkeit, der Leistungsgesellschaft und der Selbstdarstellung. Durch die Übertragung der Worte des Kanzlers in Ich-Form, konterkariert die Künstlerin mit feiner Ironie die längst beim Individuum angelangten, kapitalistischen Mechanismen der kompetitiven Optimierung und des Konkurrenzdenkens. Es entsteht ein kritisches Porträt des Menschen als Einzelkämpfer:in, deren Wert sich nach der individuellen Wirtschaftskraft bemisst.
http://www.anjakempe.de

Christine Kriegerowski und Karl Heinz Jeron

[Goldrausch Teilnehmerin 1998/1999]

Christine Kriegerowski und Karl Heinz Jeron, Eierlikör mit Abstand, 2020, 1:25 Min.

Die grotesk kostümierten Protagonist:innen in Christine Kriegerowskis Arbeit versuchen, selbst Eierlikör herzustellen. Ihre ungewöhnliche Aufmachung ist dem Versuch geschuldet, den pandemiebedingten Kontaktauflagen Kontakt-Auflagen gerecht zu werden. Unter Zuhilfenahme textiler und plastischer abstandserhaltender Maßnahmen wird die alltägliche Absurdität des krisenbedingten Ausnahmezustands aufgegriffen und humorvoll auf die Spitze getrieben. Die Künstler:innen fragen, wie Kollaboration trotz faktischer oder symbolischer Lücken zwischen den Akteuer:innen gelingen kann.
http://www.duckwoman.de

 

BLOCK III

Yvon Chabrowski

[Goldrausch Teilnehmerin 2013]

Yvon Chabrowski, DYNAMICS, 2016, 21:28 Min.

Zwei Kameras zeigen aus unterschiedlichen Perspektiven dasselbe Geschehen. In beiden Fällen sehen wir von einem erhöhten Standpunkt aus auf eine Gruppe schlicht und farblos gekleideter Menschen, die sich unermüdlich neu im Raum arrangieren, stehen bleiben, Muster formen, weitergehen. Immer neue Konstellationen bilden sich heraus und zerfallen wieder, bis schließlich alles enger zu werden scheint: ein Gedränge entsteht. Die Einzelnen werden zur Menge, die stößt, schiebt, drückt und beizeiten eine an Massenpaniken erinnernde Dynamik offenbart. Yvon Chabrowski erzeugt eine bedrückende Intensität und adressiert Fragen nach Selbstbestimmtheit, Machtgrenzen und Handlungsfreiheit.
http://www.chabrowski.info

Bettina Hoffmann

[Goldrausch Teilnehmerin 1991/1992]

Bettina Hoffmann, Displaced, 2020, 7:15 Min.

In die ruhigen Aufnahmen einer traumgleichen Unterwasserwelt brechen nacheinander menschliche Körper. Sie schwimmen zunächst orientierungslos umher, begegnen sich, stoßen sich voneinander ab, schweben umeinander. Bettina Hoffmann zeigt in ihrer Arbeit eine Choreografie unter der Wasseroberfläche und zeichnet Bewegungen des Näherkommens und sich Entfernens nach. In der ungewöhnlichen Umgebung lässt die Künstlerin lediglich die Geräusche des Wassers durchdringen und verstärkt dabei den Fokus auf die Regungen und Berührungen der stummen Körper. So verleiht sie der Szenerie eine archaische, existenzielle Qualität, die eine Brücke zwischen alptraumhaften Visionen des Ertrinkens und schwereloser Träumerei spannt.
http://www.bettinahoffmann.net

Susanne Huth

[Goldrausch Teilnehmerin 2005]

Susanne Huth, PARKOUR AUGUSTSTRASSE, 2009, 8:42 Min.

Eine Frau in signalroter Kapuzenjacke joggt eine Straße entlang und bezieht die alltäglichen Gegenstände, die auf ihrem Weg auftauchen in ihren Trainingslauf mit ein – seien es Fenstergitter, Bauzäune oder Biertische. Susanne Huth begibt sich auf einen Streifzug durch den urbanen Raum, durchquert Orte auf der Berliner Auguststraße, die von menschlicher Kollaboration und Veränderung zeugen, durch die und an denen sich Gemeinschaft erst entfaltet. Zugleich tritt sie fortwährend mit den Objekten und der Geschichte dieser Räume in Kontakt und gibt uns den Blick frei auf ein Stück Berliner Zeitgeschichte.
http://www.susannehuth.de

Annelies Kamen

[Goldrausch Teilnehmerin 2018]

Annelies Kamen, Greatest Hits, 2018, 7:27 Min.

Eine Frau klappt einen Mann wie einen Gartenstuhl zusammen, versucht auf einer Vogelpfeife zu spielen, tippt auf einer Schreibmaschine. Alltägliche und absurde Situationen und Gestalten – Frösche, Prinzessinnen, und Superheld:innen – tauchen in Annelies Kamens Arbeit auf. Doch die eigentlichen Protagonisten sind die Geräusche, die jede der Interaktionen prägen. Wie klingen Körper? Wie verändert, was wir hören, unsere Wahrnehmung der gezeigten Begegnungen? Bei der Arbeit handelt es sich um eine Kollaboration der Künstlerin mit Geräuschemacherin Almut Schwacke, die die onomatopoetischen Lautäußerungen weiblicher Comiccharaktere in Soundeffekte übersetzte.
https://www.annelieskamen.com

Gabriele Stellbaum

[Goldrausch Teilnehmerin 1989/1990]

Gabriele Stellbaum, Close Huddle, 2017, 4:30 Min.

„Trust can be enhanced by the hormone Polypeptid Oxytocin.“ Durch nüchterne Fakten, aber auch durch die radikale Reduktion menschlicher Interaktion auf zwei uniform gekleidete Personen bricht Gabriele Stellbaum die Themenkomplexe Beziehung, Nähe und Gemeinschaft auf. Als Szenerie wählt sie einen kahlen Raum, der aus der Zeit gefallen scheint und keinerlei Anhaltspunkte zur Erschließung des Kontexts des Geschehens liefert. Alles tritt hinter der Konversation zurück, die im Zentrum der Arbeit steht und doch bruchstückhaft bleibt und sich aus Slogans, Schlagzeilen und Statements zusammensetzt. Die Enge einer Zweierkonstellation wird hier ausgereizt, während es vor dem Fenster langsam dunkel wird.
https://stellbaum.net

Ella Ziegler

[Goldrausch Teilnehmerin 2002/2003]

Ella Ziegler, FEIGNED UNCONSCIOUSNESS (SIMULIERTE OHNMACHT), 2018, 21:08 Min.

Handlungen und Gesten werden in Ella Zieglers Arbeit sprachlich analysiert und in Bezug zu Fotografien gesetzt. Die Künstlerin beschreibt hauptsächlich Allgemeinplätze menschlicher Interaktion – Situationen, in denen sich jeder und jede wiederfinden könnte und die auf den kollektiven Charakter körpergebundener, menschlicher Erfahrung verweisen. Die Künstlerin lenkt den Blick auf die Bedeutung, die durch unterschiedliche Berührungen generiert wird und spürt den Auswirkungen individuellen Handelns auf soziale Prozesse und Beziehungen nach.
http://www.ella-ziegler.de

 

BLOCK IV

Marlene Denningmann

[Goldrausch Teilnehmerin 2019]

Marlene Denningmann, WUNSCHKONZERT, 2016, 12:48 Min.

Bilder einer Vorstadtidylle. Eine Blaskapelle versammelt sich und beginnt zu spielen. Allerdings scheint ihr Auftritt eher sportlichen Regeln als musikalischen zu folgen. Drei Beobachter:innen komplementieren das Geschehen mit einem Gespräch über Wünsche als Handlungsmotivation und die Macht des Glaubens an persönliche Träume. Marlene Denningmann webt hier Narrative der Selbstbehauptung und des individuellen Glücksstrebens ein. Es entsteht eine Meditation über Eigenverantwortlichkeit in einem Gesellschaftssystem, das auf Individualismus und Selbstverwirklichung drängt. Doch was geschieht ohne Zusammenspiel und Solidarität? Ist dies am Ende ein Verlust für alle?
http://www.marlenedenningmann.de

Linda Franke

[Goldrausch Teilnehmerin 2010]

Linda Franke, Du als anarchistischer Dynamo im Koordinatensystem, 2012, 23:45 Min.

Obwohl die Inhalte der Szenen ganz gewöhnliche Situationen zu sein scheinen – ein Familienessen oder eine Autopanne – entführt uns Linda Franke in eine surreale, virtuelle Welt. Fünf Schauspieler improvisieren Gruppenprozesse in einem Greenscreen-Studio, das zu einem Raum voller Waschmaschinen wird, zu einer endlosen, frei im Raum schwebenden Straße, zur Landschaft eines fremden Planeten. Wir verlassen die Sphäre des Gewöhnlichen und begeben uns hinein in eine Karikatur des Alltags, die den Rahmen des Möglichen auslotet. Gelingt improvisierte Kollaboration und Interaktion im Nicht-Raum der Fiktion?
http://www.lindafranke.com

Kerstin Honeit

[Goldrausch Teilnehmerin 2011]

Kerstin Honeit, PANDA MOONWALK or WHY MENG MENG WALKS BACKWARDS, 2018, 08:02 Min.

Als 2017 die Pandabärin Meng Meng in den Berliner Zoo einzog, sorgte ihr Verhalten bald international für Schlagzeilen: Sie bewegte sich rückwärts durch ihr Gehege. Kerstin Honeit greift in ihrer Arbeit die darauffolgende Berichterstattung auf und legt dabei die sexistischen Narrative frei, die diese durchwirkten. Statt das Protestverhalten der Bärin als Reaktion auf ihre Gefangenschaft zu deuten, wurden ihr jugendliche Widerspenstigkeit, Diventum und sexuelle Frustration unterstellt. Auf die grotesken Presse-Stimmen reagiert Kerstin Honeit mit einer Performance – in Kollaboration mit manch einer Goldrausch-Alumna.
http://www.kerstinhoneit.com

Jana Schulz

[Goldrausch Teilnehmerin 2015]

Jana Schulz, being on concrete (counting money, observing Dijon), 2019, 5:19 Min. und 6:13 Min.

Jana Schulz fokussiert, wie gerade verdientes Papiergeld von Hand zu Hand, von Person zu Person gereicht wird. Die Gesichter der menschlichen Akteure bleiben die meiste Zeit außerhalb des Bildraums. Anders im zweiten Film der als Zweikanalinstallation konzipierten Arbeit: Hier werden die Körper der Handelnden fokussiert und wird der erste Film in einen neuen Kontext gesetzt. Eine Gruppe junger Männer widmet sich dem B-Boying, auch Breaking genannt. Der junge Tänzer, der im Zentrum der Aufnahmen steht, übt einen Front Flip. In der Arbeit von Jana Schulz ergänzen sich Choreografien menschlicher Interaktion und darstellender Streetperformer.
https://www.janaschulz.info

Dagmar Weiß

[Goldrausch Teilnehmerin 2015]

Dagmar Weiß, Buxus, 2019, 6:49 Min.

Akkurat zu Würfeln und Kegeln gestutzte Buchsbaumsträucher im Vorgarten eines Einfamilienhauses. Vogelgezwitscher. Vor diesem Hintergrund fokussiert Dagmar Weiß eine Reihe von Personen, die eine an der Gartenarchitektur orientierte Choreografie aufführen – scheinbar als Echo der akribischen Ordnung. Die organische Bewegung wirkt wie eine Persiflage auf den Kies, der alles zuschüttet. Nichts wächst, was nicht erwünscht ist. Niemand tanzt aus der Reihe. Die Uniformität der Vorgärten scheint die des Lebensstils, der ästhetischen und sozialen Standards zu spiegeln und wirft Fragen nach der normativen Kraft gesellschaftlicher Dynamiken und Machtstrukturen auf.
http://www.dagmar-weiss.de