
Fünf Fragen an …
Victoria Sarangova (* 1985 in Kalmykien, einer Republik im Südwesten Russlands) arbeitet mit Sound, Video, Text und Handstickerei. Ihre oft ortsspezifischen Installationen erkunden Fortschritt, Erinnerung und Identität – verwurzelt in ihrer Heimat und genährt vom Familienarchiv sowie persönlicher Geschichte. Sie studierte Performance: Design and Practice am Central Saint Martins College in London (B.A. 2014) und schloss 2020 den Masterstudiengang Art in Context an der Universität der Künste Berlin ab. Ihre Arbeiten wurden unter anderem beim CTM Festival 2024, im Ringtheater und im Kunstraum Kreuzberg/Bethanien in Berlin sowie bei Sound/Image 2023 in London präsentiert. Sarangova ist Mitbegründerin des MU collective, einer Gruppe von Künstler:innen aus Kalmykien.
Du bist in der südrussischen Teilrepublik Kalmykien aufgewachsen. Wie prägt das deine künstlerische Praxis?
Ich bin in Kalmykien geboren und in den 1990er Jahren dort aufgewachsen. Aus dieser Erfahrung heraus schaue ich auf meine Umgebung und die Art, wie sich Realitäten und Narrative seitdem verändert haben. Das prägt meine Praxis sehr, besonders auf einer unmittelbaren, körperlichen Ebene, unabhängig davon, welches Medium ich nutze – ob Sound, Textil oder Video.
Wie äußert sich das in deiner Kunst?
Meine Kunst ist performativ und prozessorientiert. Zuletzt habe ich mich mit den ethnologischen Völkerschauen des 19. und frühen 20. Jahrhunderts beschäftigt und dazu eine Lecture Performance entwickelt. Mein Prozess ist eher intuitiv. Ich wollte nicht nur Theorie verarbeiten, sondern habe auch die Online-Diaspora nach ihren Gedanken zu diesen Bildern und Fakten befragt. So konnte ich mich intensiver mit dem Material auseinanderzusetzen und es, über Kunst- und Wissenschaftskreise hinaus, für andere Stimmen öffnen.
Auch Stickerei ist Bestandteil deiner Praxis…
Die Handstickerei begleitet mich als Werkzeug und Geste schon lange. 2014 habe ich mit der ersten Serie, „Motherland“, begonnen. Damals war das Sticken im Kunstbetrieb noch stärker als „weibliches“ Medium umstritten. Für mich steckt darin aber ein subversives Potenzial, ich begreife Stickerei als feministische Praxis.
Macht es für dich einen Unterschied, wo du deine Arbeiten zeigst?
2021 hatte ich mit meinem Kollektiv erstmals eine Ausstellung in Kalmykien. Das Feedback dort war ganz anders als in Europa. Seit 2023 findet unser Austausch digital statt, was neue Hürden, aber auch Chancen bietet. Mit der Diaspora arbeite ich in Berlin und online, stets mit Fokus auf Möglichkeiten statt Begrenzungen.
Warum machst du bei Goldrausch mit?
Sieben Jahre lang arbeitete ich vor Goldrausch aus Visa- und finanziellen Gründen als Erzieherin. Diese Zeit brachte Fürsorge- und Gemeinschaftserfahrungen, doch auch eine Distanz zur Kunstwelt mit sich. Ich habe meinen Job vorerst gekündigt, um meiner Praxis mehr Raum zu geben und meine Position intensiver zu reflektieren. Mit Goldrausch nehme ich meinen Platz in der Kunstwelt nun bewusst wieder ein.
Interview: Beate Scheder