Fünf Fragen an …
Jeanna Kolesova (* 1988 in Sumpfdorf, Russland) ist Künstler:in, Filmemacher:in und Forscher:in. Jeanna studierte Dokumentarfilm und Fotografie in St. Petersburg, Interaktive Medien am CalArts und Experimentalfilm und Neue Medien an der Universität der Künste Berlin und arbeitet in mehreren künstlerisch-politischen Gruppen. Jeannas Arbeiten waren unter anderem im Kunstraum Kreuzberg in Berlin (2023), beim EMOP Berlin (2023), auf der HYBRID Biennale in Hellerau (2022), in der Staatlichen Kunsthalle Baden-Baden (2021) und im Museum für Fotografie in Berlin (2021) zu sehen. Seit Juni 2024 erhält Jeanna das KUNSTFONDS_Stipendium.
Du beschäftigst dich mit kollektiver und persönlicher Erinnerung. Was interessiert dich daran?
Ich habe neulich darüber nachgedacht, warum ich beides zusammenbringe. Der Grund ist: Kollektive Erinnerung kann ohne persönliche Erinnerung nie vollständig sein. Sehr oft ist es die persönliche Erinnerung, die Momente bewahrt, die traumatisch und schmerzhaft und deswegen schwer zu manipulieren sind. Ich meine damit insbesondere diejenige von Gruppen, die marginalisiert werden und der kollektiven Erzählung nicht zustimmen.
Was für Erinnerungen untersuchst du?
Zum Beispiel war das die Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg in Russland. Gerade arbeite ich an anderen Themen, in Bezug zur Torfindustrie in der Sowjetunion.
Wie recherchierst du?
Um kollektive Erinnerungen in Russland zu analysieren, habe ich viel mit Umfragen gearbeitet, die ca. zwischen 1995 und 2020 in Russland geführt wurden. Ich habe aber auch mit den Erinnerungen und Geschichten meiner Familie, mit denen meiner Großmutter sowie mit meinen eigenen gearbeitet. Oft führe ich auch Interviews mit Betroffenen, um die Geschichten direkt von den Personen zu erfahren. Wenn das nicht geht, benutze ich Auszüge aus Romanen oder verschriftlichten Erinnerungen. Auch Objekte der Popkultur werte ich aus. Bei meinen Analysen versuche ich herauszufinden, wie Erinnerungen manipuliert werden.
Wie reagiert das Publikum auf deine Arbeiten?
Abhängig von den jeweiligen politischen Ansichten sind die Reaktionen entweder sehr positiv oder sehr negativ. Ein paar Mal schon haben Menschen aus Russland, denen ihre Art der Erinnerung heilig ist, sehr aggressiv reagiert. Ich halte es aber für wichtig, eine andere Perspektive zu zeigen und Erinnerungsmanipulation sichtbar zu machen.
Warum machst du bei Goldrausch mit?
Ich habe letztes Jahr mein Studium abgeschlossen. Es ist gut, durch Goldrausch in dieser Phase Teil einer kleinen Gruppe zu sein, in der man sich bei Fragen zum Weg in die Professionalität gegenseitig unterstützt.
Interview: Beate Scheder
Foto: Lee Thieler